18 Feb HZ: Liederkranz: Er singt und singt und singt. . .
Vor 150 Jahren wurde der älteste Herbrechtinger Verein im „Adler“ gegründet. Das wird heuer ebenso gefeiert wie die Tatsache, dass der Chor „Total Vokal“ seit zehn Jahren besteht. Wenn schon, denn schon: Als 1865 unter Vorsitz von Schultheiß Rittmann im „Adler“ eine Ortsfeuerwehr gegründet wurde, befand sich auch der sangesfreudige Oberlehrer Schaufler im Saal. Also hoben die Anwesenden auch gleich noch den Liederkranz aus der Taufe. Weshalb als dessen Gründungsjahr allerdings 1868 in den Annalen vermerkt ist, vermag heute niemand mehr mit Sicherheit zu sagen. Vielleicht lag’s ja daran, dass es einige Zeit dauerte, bis die zur Anschaffung einer Fahne erforderlichen 300 Gulden beisammen waren und die Weihe derselben erst am 19. September 1868 auf den Wiesen beim Dorfbrunnen erfolgte.
Allerdings dürfte diese zeitliche Diskrepanz bestenfalls am Rande eine Rolle spielen, wenn der Liederkranz heuer sein 150-jähriges Bestehen feiert. Weitaus wichtiger ist die Tatsache, dass er auch nach so langer Zeit noch eine Rolle im kulturellen Leben der Stadt spielt und sich im Unterschied zu anderen Vereinen bislang erfolgreich dem Schicksal entgegengestemmt hat, aufgrund Nachwuchsmangels den Betrieb einstellen zu müssen.
Neuer Chor gegründet
Maßgeblich zu verdanken ist das der Ehrenvorsitzenden Elsa Fiedler, die frühzeitig die Zeichen der Zeit erkannte. Sie rief 2008 den Chor „Total Vokal“ ins Leben, der heute mit seinen 126 Mitgliedern – davon 31 aktiven und 95 passiven – den Liederkranz darstellt.
Bei ihrem Vorstoß konnte Fiedler auf den Weitblick vieler bauen, die den Stolz auf die eigene Tradition nicht bedingungslos über den Fortbestand des Vereins stellten: „Die sogenannten Alten haben uns von Anfang an bestärkt und uns das Gefühl vermittelt, dass sie sich über unser Engagement freuen, weil es dadurch ja für ihre Herzensangelegenheit eine Zukunft gibt“, sagt Petra Reiss, die den Liederkranz heute zusammen mit Herbert Bader führt.
Früh die Jugend im Blick
Das Thema ist übrigens kein neues, stand vielmehr ganz offiziell schon 1979 auf der Tagesordnung. Seinerzeit wies der Vorsitzende Siegfried Hof auf die Notwendigkeit hin, am eigenen Image zu feilen: „Jüngere Menschen beurteilen uns sehr kritisch“, sagte er bei der Hauptversammlung im Gasthaus Grüner Baum, weshalb Sorge dafür zu tragen sei, „jüngere Menschen für das deutsche Lied zu begeistern, jüngere Menschen in unsere Gemeinschaft zu holen“. Gemeinschaft macht stark – daran ließen die Mitglieder des gemischten Chors, darunter etliche Ehepaare, keinen Zweifel aufkommen und absolvierten während der Übergangsphase einige gemeinsame Auftritte mit „Total Vokal“. Das ebenfalls gemeinsam bestrittene Abschiedskonzert mit Wiener Melodien am 1. März 2015 markierte dann den Beginn einer neuen Zeitrechnung: Seither gibt eine neue Generation musikalisch den Ton an. Gleichwohl findet sich unter den Aktiven eine Sängerin, die auch schon dem gemischten Chor angehört hat. Die Altersspanne reicht von 30 bis 70 Jahren, und die Frauen sind deutlich in der Überzahl.
Volkslieder und Schlager
Im Repertoire von „Total Vokal“, der dem Eugen-Jaekle-Chorverband angehört, zeigen sich jetzt über traditionelle Volkslieder und Operetten hinaus auch viele Stücke moderner Chorliteratur von Pop und Rock über Gospels bis zu Schlagern. Gesungen wird zudem teilweise auf Englisch.
Allen Neuerungen zum Trotz wird die Traditionspflege unverändert groß geschrieben. „Etliche unserer Mitglieder sind zwar passiv, aber das sehr aktiv“, sagt Reiss. Soll heißen: War „man“ einst ganz selbstverständlich Mitglied im Liederkranz, so pflegen auch heute noch viele den Zusammenhalt, treffen sich regelmäßig am Stammtisch, feiern gemeinsam Weihnachten, und, und, und. Was jemand für die Gemeinschaft getan hat, wird eh nicht vergessen. Bestätigen kann’s Kuno Hauber, der 2015 zum Ehrenchorleiter ernannt wurde.
Gute Gemeinschaft
„Wir sind kein Kammerchor, bei uns stehen Spaß und Ausgleich im Vordergrund“, beschreibt Reiss die Motivation der hauptsächlich aus Herbrechtingen und Heidenheim kommenden Chormitglieder. Und die gute Gemeinschaft zeigt sich auch bei Arbeitseinsätzen. Die Vorsitzende verhehlt aber nicht, dass es mitunter einen Kraftakt darstellt, eine ausreichend große Zahl an Helfern zusammenzubekommen.
So müssen beispielsweise 20 Freiwillige mit anpacken, um auf dem dreitägigen Weihnachtsmarkt einen Teil des Geldes zu erwirtschaften, mit dem sich der Chor finanziert. Ebenfalls nachahmenswert: Liederkranz und Obst- und Gartenbauverein unterstützten sich schon vielfach gegenseitig, wenn es um die Bewirtung bei eigenen Veranstaltungen geht.
Kartoffeln für den Dirigenten
Nochmals ein Blick in die Annalen: Um 1923 einen Dirigenten an Land ziehen zu können, waren die Sänger zu persönlichen Opfern bereit. Sie brachten zu jedem Treffen Kartoffeln, Eier und sonstige Lebensmittel als Entlohnung mit. Während des Zweiten Weltkriegs ruhte das Vereinsleben, bis sich die verbliebenen 23 am 14. März 1946 wieder zu einer Singstunde trafen.
Allen auch später zu meisternden Schwierigkeiten zum Trotz behauptete sich der älteste Herbrechtinger Verein und bescherte den Bürgern des Orts ein Fest, wie man es am Buigen wahrlich nicht alle Tage zu sehen bekommt: Als 1968 das 100-jährige Bestehen gefeiert wurde, säumten Tausende den Weg des Umzugs vom Bahnhof zum Festplatz bei der Bibrishalle. Gut 1300 Sänger aus 47 Gastvereinen waren bei der Festwoche mit von der Partie.
Konzerte zum Jubiläum
„Chor trifft Blech“ heißt es am Samstag, 21. April 2018. Dann tritt „Total Vokal“ ab 19 Uhr gemeinsam mit dem Posaunenchor in der Klosterkirche auf. Am Samstag, 29. September, werden ab 19 Uhr mehrere Gastchöre zu einer Jubiläumsveranstaltung in der Oskar-Mozer-Halle erwartet. Nach ihren Auftritten spielt „No Limit“ zum Tanz auf. Wer bei „Total Vokal“ mitsingen möchte, kann bei den von Julia Oszfolk geleiteten Übungsstunden vorbeischauen, die immer mittwochs um 19.30 Uhr in der Oskar-Mozer-Halle beginnen.
…
Mehr auf swp.de